zum Gedenktag von 75 Jahre – Befreiung Auschwitz

ich kenne bzw. lernte ich nie persönlich Menschen kennen, die die Grauen eines Konzentrationslager miterleben mussten. Obwohl ich nie mit einem Zeitzeugen, einer Zeitzeugin, der oder die ein Lager überlebte, wusste ich schon als Kind, dass das was während der Hitlerzeit passierte, nie mehr vorkommen sollte. Prägend dafür war, dass meine Nachbarin uns erzählte, wie das damals beim Einmarsch von Hitler war und, dass sie durch eine Aussage (Wehrkraftzersetzung) fast nach Dachau gekommen war. Für mich war der Alltag von den normalen Leuten, die weder Nazis oder Mitläufer noch dem Widerstand oder den Verfolgten angehörten schon schrecklich genug. Sie erzählte nichts über die wahren Ausmaße des Krieges. Aber ihre Schilderungen reichten für mich, dass ich das „Nie wieder“ ernst nahm. Nachdem sie, wie alle meine Großeltern, starb bevor ich sie später über die wirklich grauenhaften Dinge fragen konnte, habe ich mich vor allem an Büchern und Dokus gehalten um über diese Zeit alles zu lernen – Ich denke da, an die daheim vorhandene bzw. geschenkte Lektüre (Der Geheime Großvater, Mojsche und Rjesele…) und an die Schätze in der Pfarrbücherei. In meiner Schulzeit besuchten wir nie eine Gedenkstätte, aber die LehrerInnen sowohl in der Hauptschule, als auch in meiner höheren Schule haben immens wertgelegt, dass wir über das Grauen des Nationalsozialismus Bescheid wissen.

Lange hielt ich es für einen Konsens, dass man das „Nie Wieder“ ernst nimmt und mit vereinten Kräften daran arbeitet, wirklich eine Gemeinschaft von Menschen zu werden, indem jeder als wertvoll anerkannt wird.

Mittlerweile muss ich einsehen, dass dies ein naiver Wunschtraum ist, der meilenweit an die Realität vorbeigeht.
Ich nehme vermehrt immer mehr Stimmen war, egal ob im privaten Bereich, aber nochmehr in der öffentlichen Berichterstattung und in der Politik – die mich immer mehr an die Anfangszeiten der gehofft längst vergangenen Zeiten erinnern.

Offenbar ist das „Nie wieder“ vergessen – trotz des #WeRemember, und es ist ein immer lauter werdendes und zynisches „Jetzt wieder“.
Ein „Jetzt wieder“, nachdem die Probleme dieser Zeit erfolgreich geleugnet und vertagt werden bis es zu spät ist.

7 Gedanken zu „zum Gedenktag von 75 Jahre – Befreiung Auschwitz

  1. Das war unterschwellig immer zu spüren. Hat viel mit dem Neoliberalismus und dem Niedergang der Industrien zu tun. In Deutschland hat Gerhard Schröder da eine verhängnisvolle Rolle gespielt (ähnlich wie Blair in GB). Die sogenaanten bildungfernen Schichten spürten schon, das er sie für eine aussterbende Spezies ohne Zukunft hielt und das Heil der Sozialdemokratie in der „Neuen Mitte“ sah. Also suchten sie eine neue politische Heimat bei den Rechtsradikalen. Es ist furchtbar, diese Haltung: Ich will die ja eigentlich auch nicht, aber ich will den etablierten Kräften, die nichts mehr für uns tuen einen Denkzettel zukommen lassen. Diese Haltun führt in den Abgrund.

    • ja, das mit dem Niedergang der Industrien wäre durch rechtzeitige Umlenkung auf neue zukunftstsweisende Zweige der Industrie (Ökologie) ev. aufgehoben und die Arbeit wäre weiterhin in Deutschland/Österreich geblieben.
      Es ist vertrackt, die rechtsradikalen Kräfte bieten keine Lösung, das haben wir in Österreich jedesmal erlebt, wenn die FPÖ in welcher Form auch immer daran beteiligt war.

      • Das ist das Tragische. Ich kann nachvollziehen, dass Menschen sich von Parteien abwenden, von denen sie sich nicht (mehr) vertreten fühlen. Nicht nachvollziehen kann ich, wie man sich einer Partei wie der FPÖ zuwenden kann, die noch nie irgendeine Lösung für irgendwas geboten hat

  2. Jemanden persönlich kennenzulernen oder kennengelernt zu haben, die oder der in einem KZ eingesperrt war, ist vermutlich (auch) deshalb recht schwierig, weil viele Menschen über ihre traumatisierenden Erlebnisse jahrzehntelang nicht geredet haben, nicht reden konnten.

    Damit das „Nie wieder“ gilt, müsste es Konsens sein, dass Herkunft, Abstammung oder Weltanschauung (also auch Religionszugehörigkeit) kein Fehlverhalten sind.
    Und selbst wenn sich jemand eines tatsächlichen Fehlverhaltens schuldig gemacht hat, ist es nicht gerechtfertigt, ihn in ein KZ (oder eine vergleichbare Haftanstalt) zu sperren. Die Chance auf Resozialisierung steht jedem zu.

  3. Ich möchte Dir recht herzlich für diesen Blogbeitrag danken!

    Ich hatte das große Glück Max Mannheimer mehrmals in meinem Leben begegnen zu dürfen, der als Zeitzeuge unermüdlich für rastlos an zahlreichen Schulen seine Erlebnisse und das Thema geschichliche Verantwortung an die uns nachfolgenden Generationen weitergab. Er wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden.

    Inspiriert von Deiner Frage nach den Zeitzeugen habe ich einen Blogbeitrag zu seinem Geburtstag geschrieben https://bilderausstrom.com/2020/02/09/max-mannheimer-einem-zeitzeugen-und-rastloser-mahner-zum-100-geburtstag/

    Nochmals Danke für Deinen Beitrag – zeigt es einem doch auf, welches Glück es war zeitzeugen zu treffen, die bereit waren über Ihre Erlebnisse und das erlebte Unrecht zu sprechen, aber auch welche Verantwortung in uns nun liegt.

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